Beate

Beate

Am morgen des 10.Mai 2004 verspürte ich nach dem Zähneputzen plötzlich einen stechend heißen Kopfschmerz. Ich setzte mich kurz aufs Bett. Als ich bemerkte das mein rechter Arm zu kribbeln anfing, wollte ich sofort zum Telefon gehen und Hilfe rufen.

Doch soweit kam ich nicht mehr – auf dem Weg ins Wohnzimmer fiel ich hin und meine komplette rechte Seite war gelähmt und innerhalb kürzester Zweit war meine Sprache weg, so das ich nicht um Hilfe rufen konnte.

Ich habe immer wieder versucht mich bemerkbar zu machen – ohne Erfolg. So lag ich stundenlang völlig hilflos in meiner Wohnung und da ich Arzthelferin bin, wusste ich schnell, dass dies keine gute Prognose war. Nach über 4 Std. – den schlimmsten meines Lebens – wurde ich gefunden. Die Tür wurde aufgebrochen, der Notarzt gerufen und ich kam in die  Kopfklinik des Universitätsklinikums in Heidelberg.. Da das für Schlaganfälle vorgesehen Zeitfenster weit überschritten war, konnte keine Lyse-Behandlung mehr durchgeführt werden.

Nach MRT und Doppleruntersuchung wurde ich mit der Diagnose: paramedianer Ponsinfarkt links nach Dissektion der hinteren Halsschlagader auf die Stroke Unit verlegt. Von dort wurde ich nach 9 Tagen für insgesamt 4 ,5  Monate in die Neurologische Rehabilitationsklinik Kliniken Schmieder Heidelberg  verlegt.

Meine damaligen Symptome und Defizite waren:
Halbseitenlähmung mit Gang.- und Standataxie und Gefühlsstörungen, Sprach-störung, schlaffe Hemiparese und Hemiplegie, leichte Lähmung des Schlucknerv (so das ich wochenlang nur pürierte Kost zu essen bekam) und Myoklonien, die anfänglich als epileptische Anfälle gedeutet und entsprechend behandelt wurden.

Die erste Zeit saß ich im Rollstuhl. Danach folgten erste Gehversuche an einem Rollator mit Sonderbau  (verlängerten Schiebegriffen), aufgrund der fehlenden Oberkörperstabilität. Da die Myoklonien mit hoch dosiertem Tavor und Keppra therapiert im Vordergrund standen, blieben meine kognitiven Defizite weitgehend unbemerkt und somit erstmal unbehandelt…

Als ich entlassen wurde, musste ich direkt von der Klinik in eine neue Wohnung umziehen, da meine alte nicht „rollstuhltauglich“ war! Außerdem war ich für fast alles auf fremde Hilfe angewiesen. Für mich ein großes Problem, da ich schon immer ein sehr aktiver, selbstständiger und kommunikativer Mensch war….

Nach inzwischen 6 ½ Jahren habe ich mich wieder zurückgekämpft in ein neues, mir manchmal noch fremdes Leben!
Ich beziehe eine volle Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit, da ich nicht mehr belastbar bin und die kognitiven Defizite wie Konzentration, das Einschätzen von Entfernungen (z.B. beim Greifen) und vor allem die geteilte Aufmerksamkeit und die große Geräuschempfindlichkeit, mir eine regelmäßige Arbeit nicht möglich machen.
Seit einigen Monaten darf ich wieder Auto fahren! Dies bedeutet für mich ein Stück Freiheit und einen großen Schritt zurück ins normale Leben – denn ich kann wieder selbst entscheiden, wann ich irgendwo hin fahre!

Für lange Wegstrecken oder stark kognitiv belastende Tätigkeiten wie z.B. längere Einkäufe oder Ausflüge, benötige ich noch immer meinem Rollstuhl und meistens auch eine Begleitperson. Kürzere Wegstrecken lege ich mit meinem Lekki-Stock zurück.
Meine Sprache ist komplett wieder da. Nur wenn ich sehr müde und angestrengt bin, ist diese etwas verlangsamt und abgehackt.

Da man mir meine Defizite nicht gleich ansieht, werde ich von meinem Umfeld sehr oft falsch eingeschätzt oder überfordert. Es gelingt mir meist nicht, mich frühzeitig abzugrenzen, was ganz schnell zur totalen Überforderung führt.
Ich benötige für alles viel mehr Zeit, Hilfe und Unterstützung, sowie Ruhepausen. Dann bin ich für (fast) alles „zu haben“!

Und damit dies noch besser wird, mache ich immer noch 2x wöchentlich Ergotherpie und 1x wöchentlich Physiotherapie. Die Logopädie habe ich vor 4 Jahren abgesetzt.
Zwischenzeitlich spinnt mein Blutdruck und ich habe eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis) bekommen, so dass meine Medi´s immer mehr statt weniger werden….

Meinem großen Hobby und langjähriger Leidenschaft, dem Rollkunstlauf, gehe ich noch immer nach. Ich war die ganze Zeit immer als Trainerin und Abteilungsleiterin tätig – der Sport gab mir das Gefühl „gebraucht“ zu werden…
Aufgrund meiner Einschränkungen und Defiziten bin ich jetzt meist überwiegend fürs Pflichttraining zuständig. Dadurch bleibt nun mehr Zeit, mich um die Arbeit als 2. Vorsitzende unseres Vereins zu kümmern.   Des weiteren engagiere ich mich als  stellvertretende Gruppensprecherin, in unserer vor 5 Jahren gegründeten Selbsthilfegruppe für Junge Menschen nach einem Schlaganfall und freue mich, meine eigenen Erfahrungen an Betroffene weitergeben zu können.

Seit einigen Wochen bin ich Trägerin des „Bundesverdienstkreuz am Band“, das ich für mein über 25-jähriges ehrenamtliches Engagement – besonders nach 2 schweren gesundheitlichen Schicksalsschlägen (1996 schwerer Autounfall und 2004 Schlagan-fall) durch Ministerpräsident Stefan Mappus überreicht bekommen habe – darauf bin ich sehr stolz!

Ja, mit einem Schlag war alles anders – aber das Leben geht weiter…
Auch wenn es ein völlig anderes ist, wie ich „geplant“ hatte!

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